Medizinische Versorgungszentren und integrierte Versorgung Gewerbliche Infektionsrisiken bei Ärzten
RA/WP/StB Edzard Treyde, Hamburg / RA/FAStR/StB Krischan Treyde, Düsseldorf
Die Einführung der Gewerbesteueranrechnung hat bei der Finanzverwaltung kein Umdenken bewirkt. Aufgrund der in den meisten Fällen verbleibenden Steuerbelastung tendiert die Finanzverwaltung weiterhin im Zweifel zu einer gewerblichen Einstufung. Vorrangig bei den klassischen Freiberuflern wie Rechtsanwälten und Ärzten erfolgt die Einstufung zum Teil überraschend, da das auslösende Element von den Beteiligten häufig als unbedeutend empfunden wird, so dass eine Rücksprache mit dem Steuerberater unterbleibt. Hinzu kommen Rechtsprechungs- und Gesetzesänderungen, die Freiberuflern neue Tätigkeitsfelder eröffnen. Bei den Ärzten wurden neue Kooperationsformen zugelassen, die aus abrechnungstechnischer Sicht sehr attraktiv erscheinen. Die integrierte Versorgung (IV), die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die Zulassung von Zweigpraxen und die flexibleren Bestimmungen bei Anstellungsverhältnissen zählen zu diesen Möglichkeiten. Die gewerbesteuerliche Komponente dieser neuen Gestaltungsspielräume findet hierbei seitens der beteiligten Ärzte zu wenig Beachtung. Die Finanzverwaltung steht dagegen bereits in den Startlöchern. Nach dem BMF (1.6.2006 BMF IV B 2-S 2240-33/06) und der OFD Rheinland (9.6.2006 Kurzinfo ESt Nr. 32/2006) hat zuletzt die OFD Münster in ihrer Kurzinformation v. 23.11.2006 (ESt Nr. 25/2006) die Meinung vertreten, dass bei der integrierten Versorgung und der damit verbundenen Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln in der Regel eine gewerbliche Infizierung sämtlicher freiberuflichen Tätigkeiten aller beteiligten Ärzte anzunehmen sei. Vor Darstellung der neuen Infektionsgefahren sollen nachfolgend im ersten Teil zur Orientierung die klassischen Fallgruppen im Bereich der Ärzte noch einmal zusammengefasst werden. Im zweiten Teil werden gewerbesteuerliche Risiken erörtert, die sich aus den neuen Kooperationsformen ergeben können und Lösungsansätze aufgezeigt.
I. Erster Teil
Klassische Fallgruppen
1. Kooperationen mit Berufsfremden
Ein Arzt gründet mit seiner nicht als Ärztin zugelassenen Frau eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Arzt übernimmt die heilberufliche Tätigkeit und seine Frau übernimmt die Organisations- und sonstigen Tätigkeiten in der Arztpraxis.
Sämtliche Einkünfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Eine Aufteilung ist nicht zulässig.
2. Übermäßiger Einsatz von Arbeitskräften
Ein Laborarzt führt mit Hilfe seiner Mitarbeiter pro Jahr 300.000 Untersuchungen durch.
Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Zwar ist bei Freiberuflern im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach Einführung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG die Vervielfältigungsrechtsprechung des BFH nicht mehr anwendbar. Insofern ist es einem Freiberufler nunmehr möglich sich fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte zu bedienen. Voraussetzung ist aber weiterhin, dass der Freiberufler leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Von eigenverantwortlicher Tätigkeit kann nur ausgegangen werden, wenn der Arzt seine eigene Arbeitskraft so einsetzt, dass er in der Lage ist, für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen die uneingeschränkte fachliche Verantwortung zu übernehmen. Dazu muss er in ausreichendem Umfang an der praktischen Arbeit teilnehmen, so dass diese seinen Stempel der Eigenpersönlichkeit trägt. Die gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter genügt nicht. Wie viel Zeit der freiberufliche Arzt pro Untersuchung aufwenden muss, lässt sich nicht allgemein feststellen. Bei Laborärzten wird die kritische Grenze bei etwa 30 Sekunden gesehen (FG Münster, Urteil v. 31.5.2006 1 K 2819/04 G). Diese ist im obigen Fall nicht eingehalten.
3. Gemischte Tätigkeiten und Geprägerechtsprechung
Ein Augenarzt passt Kontaktlinsen an und verkauft diese dann anschließend.
Bei einer gemischten Tätigkeit wird unterschieden nach der Trennbarkeit der Einkünfte. Können die Tätigkeiten von einander getrennt werden, so kommt es zur Aufteilung: die Behandlung ist freiberuflich und der Verkauf ist gewerblich. Zu einer Infektion der freiberuflichen Einkünfte durch die gewerblichen Einkünfte kommt es folglich nicht. Ist eine Trennbarkeit dagegen nicht möglich (Verflechtung), so wird die gesamte Tätigkeit der Einkunftsart zugeordnet, die überwiegt bzw. die Tätigkeit prägt. Da die heilberufliche Anpassung von dem Verkauf der Kontaktlinsen getrennt werden kann, kommt es im vorliegenden Fall zu der Aufteilung auf freiberufliche und gewerbliche Einkünfte.
Ein Arzt führt Hüftgelenksoperationen durch. Die Hüftgelenke werden von dem Arzt beschafft und bei den Patienten eingesetzt.
Hier liegt zwischen dem Einsatz des Hüftgelenks und seiner Überlassung ein untrennbarer Zusammenhang vor. Es wird ein einheitlicher Erfolg geschuldet. Somit ist nur eine Einkunftsart anzunehmen. Da die ärztliche Tätigkeit im vorliegenden Fall den Erfolg prägt, liegen insgesamt freiberufliche Einkünfte vor.
Ein Arzt betreibt ein Krankenhaus.
Hier ist zu unterscheiden: Wenn das Betreiben des Krankenhauses nur ein notwendiges Mittel für die ärztliche Tätigkeit darstellt und aus dem Krankenhaus ein besonderer Gewinn nicht angestrebt wird, liegt eine freiberufliche Tätigkeit vor. Wenn das Krankenhaus dagegen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und ein einheitliches Heilverfahren praktiziert wird, für das ein einheitliches Entgelt zu entrichten ist (z. B. bei Kuren), liegen insgesamt Einnahmen aus Gewerbebetrieb vor.
4. Abfärbetheorie (gewerbliche Infektion)
In einer Gemeinschaftspraxis tätige Augenärzte passen Kontaktlinsen an. Anschließend werden die Kontaktlinsen von der Gemeinschaftspraxis an die Patienten verkauft.
Zwar handelt es sich bei der Anpassung der Kontaktlinsen isoliert um eine freiberufliche Tätigkeit. Da der Verkauf der Kontaktlinsen aber als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist, werden gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG alle Einkünfte, also auch die aus der heilberuflichen Tätigkeit, als gewerbliche Einkünfte eingestuft (sog. Abfärberegelung), sofern nicht eine Geringfügigkeit (vgl. Beispiel 5) vorliegt. Diese Vorschrift ist verfassungsgemäß, obwohl es zum Teil zu erheblichen Ungleichbehandlungen zwischen den Gemeinschaftspraxen und den Einzelpraxen kommt (zuletzt BVerfG, Beschluss v. 26.10.2004 2 BvR 246/98, DStRE 2005 S. 877).
Eine ärztliche Gemeinschaftspraxis führt Hüftgelenksoperationen durch. Die Hüftgelenke werden von den Ärzten beschafft und bei den Patienten eingesetzt.
Da es sich hier nach der Geprägerechtsprechung um eine einheitliche Tätigkeit mit einem heilberuflichen Schwerpunkt handelt, liegt insgesamt eine freiberufliche Tätigkeit vor. Die Abfärbetheorie findet keine Anwendung.
5. Geringfügigkeitsgrundsatz
Eine Gemeinschaftspraxis für Krankengymnastik erzielt aus ihrer freiberuflichen krankengymnastischen Tätigkeit Einnahmen in Höhe von 200000 . Durch den Verkauf von Nackenkissen und behandlungsunterstützenden Cremes werden Einnahmen in Höhe von 2500 erzielt.
Es liegt keine gewerbliche Tätigkeit vor. Zwar ist eine gewerbliche Infektion aller Einkünfte nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gegeben. Die Abfärberegelung ist jedoch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuschränken. Jedenfalls bei einem Anteil der gewerblichen Einnahmen in Höhe von nur 1,25% kommt es nicht zu einer Infektion. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift, das Gewerbesteueraufkommen zu sichern. Unterhalb des gewerbesteuerlichen Freibetrages von 24500 gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG kann es zu keiner Gefährdung kommen. Bisher hat der BFH allerdings noch nicht ausgeführt, dass jeder gewerbliche Anteil bis zu 24500 unschädlich ist. Auch die prozentuale Höchstgrenze wurde vom BFH noch nicht festgelegt. Während die Finanzverwaltung diese bei 1,25% sieht, schwanken die Meinungen in der Literatur zwischen 3 und 10%.
6. Infizierung bei gewerbesteuerfreien Einkünften
Eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis ist an eine Augenklinik angeschlossen. Die Beköstigung und die Beherbergung in der Augenklinik erfolgt zwar mit Gewinnerzielungsabsicht. Die Einnahmen hieraus sind aber nach § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, da die Voraussetzungen des § 67 AO erfüllt sind.
Eine gewerbliche Infizierung der Einkünfte aus der heilberuflichen Tätigkeit der Ärzte liegt vor. Die Gewerbesteuerfreiheit der infizierenden Einkünfte ändert an diesem Ergebnis nichts. Allerdings ist die gewerbesteuerliche Befreiungsvorschrift im Rahmen der Auslegung auch auf die Tätigkeiten zu erstrecken, die ohne die Abfärbung freiberuflich wären.
7. Ausgliederungsmodelle
Ein Zahnarzt einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis verkauft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an die Patienten der Gemeinschaftspraxis Artikel zur Mundhygiene.
Eine gewerbliche Infektion der heilberuflichen Einkünfte der Gemeinschaftspraxis liegt nicht vor. Der § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist nicht einschlägig, da der Verkauf der Artikel nicht der von den Zahnärzten gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugerechnet werden kann.
Die Gesellschafter der zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis gründen eine zweite Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die den Verkauf von Mundhygieneartikeln übernimmt. Diese zweite Gesellschaft ist von der Gemeinschaftspraxis wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell unabhängig. Es werden getrennte Aufzeichnungen bzw. Bücher geführt, besondere Bank- und Kassenkonten eingerichtet und eigene Rechnungsformulare verwendet. Außerdem werden die Mundhygieneartikel getrennt von dem Betriebsvermögen der Gemeinschaftspraxis gelagert.
Die Gemeinschaftspraxis erzielt weiterhin Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Verkaufsgesellschaft erzielt gewerbliche Einkünfte. Eine gewerbliche Infektion liegt nicht vor, da eine separate Schwestergesellschaft besteht, deren Einkünfte nicht der Gemeinschaftspraxis zugerechnet werden.
Die Gemeinschaftspraxis der Zahnärzte gründet selber eine weitere Personengesellschaft, über die die Verkäufe abgewickelt werden.
Nach Auffassung des BFH (BFH, Urteil v. 6.10.2004 IX R 53/01) erzielt die Gemeinschaftspraxis Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und die Tochtergesellschaft gewerbliche Einkünfte. Zu einer Infektion kommt es nicht. Die Finanzverwaltung sieht dies anders (EStR 15.8 Abs. 5 Satz 4). Sie reagierte auf das Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass (BMF 18.5.2005 IV B 2 S 2241 34/05). Da mittlerweile der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2007 den § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Sinne der Finanzverwaltung geändert hat (mit Rückwirkung) wird jedenfalls für Fälle ab 2007 eine gewerbliche Infektion anzunehmen sein. Für Altfälle wäre zu prüfen, ob die vom Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung verfassungsgemäß ist.
8. Betriebsaufspaltung
Eine Gemeinschaftspraxis mietet ihre Räumlichkeiten bei einem ihrer Gesellschafter an.
Eine Betriebsaufspaltung liegt nicht vor. Die Räume werden allerdings zu Sonderbetriebsvermögen des Arztes und führen zu freiberuflichen Sonderbetriebseinnahmen.
Ein Arzt betreibt eine Praxis und ist Alleingesellschafter einer Labor-GmbH. Er vermietet an die Labor-GmbH Räumlichkeiten, Einrichtungsgegenstände und Geräte.
Da es sich bei den überlassenen Wirtschaftsgütern um wesentliche Betriebsgrundlagen der GmbH handelt, liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Der Arzt erzielt somit neben seinen freiberuflichen Einkünften aus den Heilbehandlungen gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung. Die freiberuflichen Einkünfte der Einzelpraxis werden nicht gewerblich infiziert.
Zwei Ärzte sind sowohl an einer Gemeinschaftspraxis (GbR) als auch an einer Labor-GmbH beteiligt. Die Gemeinschaftspraxis vermietet an die Labor-GmbH Räumlichkeiten, Einrichtungsgegenstände und Geräte.
Es liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Die hieraus folgenden gewerblichen Einkünfte aus der Vermietung der Gemeinschaftspraxis infizieren sämtliche Einkünfte der GbR, sofern die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.
Zwei Ärzte sind sowohl an einer Gemeinschaftspraxis (GbR) als auch an einer Labor-GmbH beteiligt. Die Ärzte gründen eine zweite Personengesellschaft, welche dann die Räumlichkeiten, Einrichtungsgegenstände und Geräte an die Labor-GmbH vermietet.
Die Gemeinschaftspraxis erzielt freiberufliche Einkünfte. Die Schwester-Personengesellschaft erzielt gewerbliche Einkünfte. Eine gewerbliche Infizierung findet nicht statt, da die Schwester-Personengesellschaft Abschirmungswirkung entfaltet.
II. Zweiter Teil
Gewerbliche Infektionsgefahren bei neuen Kooperationsformen
Die erfolgten Gesetzesänderungen im Rahmen des SGB V und die aktuellen Überlegungen zur Gesundheitsreform eröffnen viele neue Kooperationsmöglichkeiten. Ein Grundgedanke hierbei ist die Kostenersparnis durch Leistungen aus einer Hand. Dementsprechend wurden Anreize geschaffen, große Kooperationen zu bilden. Die Bestimmungen zu den Anstellungsbeschränkungen von Ärzten sowie zu den überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften wurden liberalisiert, die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zugelassen und Anreize zum Abschluss von Verträgen über eine integrierte Versorgung (IV) geschaffen. Nachfolgende Beispiele zeigen, wie schwierig die neuen Modelle mit dem Grundsatz, dass ein Arzt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt, in Einklang zu bringen sind.
1. Überörtliche Arztpraxen
Eine Gemeinschaftspraxis mit Sitz in Frankfurt an der Oder gründet eine Zweigpraxis in Düsseldorf. Für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in Düsseldorf werden zwei Ärzte angestellt.
Alle Einkünfte der Gemeinschaftspraxis sind gewerblich, da die Praxis in Düsseldorf nicht leitend und eigenverantwortlich von den Ärzten der Gemeinschaftspraxis geführt werden kann und es so zu einer Infektion der Einkünfte aus der Frankfurter Tätigkeit kommt.
2. Medizinischen Versorgungszentren
Drei Gemeinschaftspraxen, die jeweils orthopädische, anästhesistische und chirurgische Leistungen erbringen, gründen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein MVZ, in das sie ihre Gemeinschaftspraxen einbringen und auch einen Physiotherapeuten mit seiner Einzelpraxis aufnehmen. Der Physiotherapeut hat in seiner bisherigen Einzelpraxis Nackenkissen und behandlungsunterstützende Cremes verkauft. Diese Verkaufstätigkeit wird im Rahmen des MVZ fortgesetzt und ausgeweitet. Die Erlöse hieraus überschreiten die kritische Grenze von 1,25 % der gesamten Umsätze des MVZ.
Die im Rahmen der Einzelpraxis vorher unkritische Veräußerung von Nackenstützen und Cremes (keine Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) führt zur gewerblichen Infektion des gesamten MVZ.
3. Integrierte Versorgung
Eine orthopädische Gemeinschaftspraxis schließt mit einer Krankenkasse einen IV-Vertrag über die Implantation von Hüftgelenken. Hierbei beschafft die Praxis auch die Implantate und setzt auf Honorarbasis die für die Operationen nötigen Anästhesisten ein. Die von der Krankenkasse bezahlte Pauschale deckt die mit den Implantaten und der Tätigkeit der Anästhesisten verbundenen Mehrkosten ab.
Aufgrund der Verflechtung (s. o. Teil I Fall 4b) liegen trotz der Überlassung der Hüftgelenke insgesamt freiberufliche Einkünfte vor. Die o. g. Schreiben der Finanzverwaltung zu der integrierten Versorgung sind nicht einschlägig, da die Praxis keine von ihrer heilberuflichen Tätigkeit trennbaren Leistungen erbringt. Auch die Hinzuziehung der Anästhesisten stellt keine gewerbliche Betätigung dar. Eine Zusammenarbeit zwischen Freiberuflern (z. B. eine Wirtschaftsprüfersozietät bedient sich eines externen Versicherungsmathematikers) führt nicht zur Gewerblichkeit.
Eine physiotherapeutische Gemeinschaftspraxis schließt mit einer Krankenkasse einen IV-Vertrag. Hiernach hat sie nicht nur die Heilbehandlung zu übernehmen, sondern auch die Patienten mit den notwendigen Cremes, Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln zu versorgen.
Nach o. g. BMF Schreiben v. 1.6.2006 und den auf dieses Schreiben folgenden OFD Verfügungen kommt es bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze zur gewerblichen Infizierung. Dieser pauschalen Beurteilung kann nicht gefolgt werden. So differenziert das BMF selber in seinem Schreiben v. 17.2.2000 (IV C 2 S 2246 5-00) danach, ob die Übergabe von Dingen (Implantate, Impfstoffe, Medikamente u. a.) nicht unselbständiger Teil der ärztlichen Heilbehandlung ist. Dies wird z. B. bei in der Arztpraxis durchgeführten Impfungen und Abgabe von Notfallmedikamenten sowie bei der Einsetzung von Implantaten bejaht. Abgestellt wird insoweit auf einen einheitlichen Behandlungserfolg. Der Zweck der Gesetzesänderungen im Bereich der integrierten Versorgung ist die Kostenersparnis durch Leistungen aus einer Hand. Es wird also ein einheitlicher Erfolg von den leistungserbringenden Ärzten erwartet. Die reine heilberufliche Tätigkeit wird durch die IV-Verträge untrennbar mit den sonstigen Leistungen verbunden. Daher liegt bei den Fällen der integrierten Versorgung eine Verflechtung vor. Die Leistung ist einheitlich entweder als freiberuflich oder als gewerblich zu beurteilen. Da im vorliegenden Fall die heilberufliche Tätigkeit überwiegt, liegen insgesamt freiberufliche Einkünfte vor.
Sofern der Ansicht der Finanzverwaltung gefolgt wird, lässt sich bei den IV-Verträgen, die auch die Nachsorge umfassen, weitestgehend eine gewerbliche Infizierung nicht vermeiden, da seitens der Krankenkassen wegen der Kostenersparnis in der Regel eine Rundum-Versorgung des Patienten gefordert wird und die Fallpauschalen entsprechend zum Teil nachsorgenden Heil- und Hilfsmittelabgaben zugeordnet werden müssen, die seitens der Finanzverwaltung als gewerblich eingestuft werden.
Der Konflikt zwischen dem Ansatz der Kostenersparnis und der oben geschilderten Ansicht der Finanzverwaltung hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Konsequenzen lässt sich auch nicht durch die Einschaltung einer Schwestergesellschaft lösen. Aus steuerlicher Sicht wäre es zwar möglich, dass eine Gemeinschaftspraxis einen IV-Vertrag mit einer Krankenkasse über rein heilberufliche Leistungen abschließt und gleichzeitig ihre personenidentische Verkaufs-GbR eine IV-Vereinbarung mit der Krankenkasse über die sonstigen (gewerblichen) Leistungen trifft. Dies ist nach § 140b SGB V allerdings nicht zulässig, weil es sich bei der Verkaufs-GbR nicht um einen möglichen Partner eines IV-Vertrages handelt.
Verschiedene Dienstleister im Gesundheitswesen gründen in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Netzwerk, um damit eine geschlossene Behandlungskette von der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung über eventuelle Operationen im Krankenhaus bis zu Rehabilitationsmaßnahmen aufzubauen. Dieses Netzwerk betreut Patienten mit Herzproblemen. Die Teilnehmer des Netzwerkes schließen jeweils eigenständig IV-Verträge mit der Krankenkasse ab. Das Netzwerk selbst beschäftigt eine kleine Verwaltungseinheit, die sich um alle von der Krankenkasse geforderten statistischen Belange und die Koordinierung der Abrechnungen sowie um den Internetauftritt des Netzwerkes und Schriften zur Patienteninformation kümmert. Die mit dieser Verwaltungseinheit verbundenen Kosten werden im Wege der Umlage von den Netzwerkteilnehmern eingefordert.
Die vom Netzwerk übernommenen Aufgaben könnten das Maß einer reinen Innengesellschaft zum Zwecke der Koordination der einzelnen Leistungen überschreiten. Falls dieses Netzwerk vom Finanzamt als eigenes gewerbliches Steuersubjekt eingestuft wird, ergibt sich eine gewerbliche Infektion des Netzwerkes selbst und damit aller Netzwerkteilnehmer. Um eine solche Infektion zu vermeiden, sollte eine von den Teilnehmern gegründete GmbH die Netzwerkaufgaben übernehmen.
III. Fazit
Die jetzt eröffneten Möglichkeiten neuer Formen der Kooperationen im Gesundheitswesen, der pauschalen Vergütung von Heilbehandlungen und Nachsorge sowie die damit einhergehenden Anreize über die Teilnahme an Maßnahmen der integrierten Versorgung bringen gewerbesteuerliche Infektionsrisiken mit sich. Der klassische Weg, das Infektionsrisiko durch die Einschaltung einer Schwestergesellschaft zu umgehen, ist im Bereich der integrierten Versorgung keine mögliche Lösung. Die derzeitige Auffassung der Finanzverwaltung engt die vom Gesetzgeber neu geschaffenen Gestaltungsspielräume weitgehend wieder ein und sollte daher nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung überdacht werden. Im Bereich der neuen Kooperationen ist zur Vermeidung einer gewerbesteuerlichen Belastung insbesondere folgendes zu beachten:
Werden neue Kooperationen eingegangen, sind die Tätigkeiten eines jeden Partners auf ihre Gewerblichkeit hin zu überprüfen.
Bei Verträgen mit den Krankenkassen im Bereich der integrierten Versorgung sollte darauf hingewirkt werden, dass der Anteil der seitens der Ärzte zu erbringenden gewerblichen Leistungen minimal ist.
Auch bei dem Anschluss an ein großes Netzwerk (z. B. zur gemeinsamen Erledigung der Verwaltungsaufgaben) muss damit gerechnet werden, dass die Finanzverwaltung in dem Netzwerk eine gewerbliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts sieht, die sämtliche Einkünfte der Beteiligten infiziert. In diesem Fall ist die Übernahme dieser Verwaltungsaufgaben durch eine von den Ärzten gehaltene Management-GmbH zu empfehlen.
Bei Bedarf stehen wir Ihnen gerne für ein Beratungsgespräch zur Verfügung.
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